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Frei oder mit Manuskript? Mein Tipp für gute Reden

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Im Moment habe ich etliche Anfragen zum Thema Präsentation und Rhetorik und auch hier im Blog habe ich erst kürzlich meine Meinung dazu in die Welt hinausposaunt. Im letzten Präsentationstraining wurde wieder mal intensiv diskutiert über die Frage, ob ein frei gesprochener Vortrag besser ist als einer, der vom Redemanuskript abgelesen wird.

Und tatsächlich scheint ein Vortragsmanuskript einige Vorteile zu haben:

  • Die Rede ist tiptop vorbereitet.
  • Du kannst sie mehrmals in genau gleicher Weise halten oder Teile davon für andere Gelegenheiten kopieren.
  • Du kannst den Vortrag ohne jeden Aufwand spontan irgendwo halten, auch nach Jahren noch.
  • Bei Lampenfieber und Redeangst vermittelt ein fertig vorbereitetes, ausformuliertes Manuskript Sicherheit.
  • Ein Vortragsmanuskript enthält keine Ähms und andere Füllwörter, die wir in Denkpausen (beim »Sprechdenken«) oft einsetzen.
  • Du kannst die Präsentation auswendig lernen und dann fast wie eine freie Rede vortragen.
  • Du gerätst nicht in Gefahr, etwas Wichtiges zu vergessen oder deinen roten Faden zu verlieren.

Das klingt erstmal ganz gut. Aber. Und das ist wirklich ein dickesfettes ABER:

Die Nachteile überwiegen:

  • Wenn du deinen Vortrag mehrmals halten willst, wirst du das Manuskript immer leicht abändern müssen, um deine Formulierungen, deine Beispiele und deinen Wortschatz auf die jeweilige Situation und deine Zielgruppe auszurichten.
  • Für ein Manuskript bietet sich an, es auf DIN A4-Blätter zu drucken, ein kleineres Format ist unpraktisch, weil da zu wenig draufpasst. Wenn du mit DIN A4-Format arbeitest, brauchst du ein Redner*innen-Pult, auf dem du deine Zettel ablegen und entspannt umblättern kannst. Ein Redner*innen-Pult nimmt dir jedoch jede Bewegungsfreiheit und dem Publikum die Chance, dich in voller Größe und ganzem Charisma zu erleben. Will sagen: Ein Pult nimmt dir 70% deiner Wirkung! Erst recht, wenn du kleiner als 170cm bist.
  • Wenn du dein Vortragsskript abliest, ist die Gefahr groß, den Blickkontakt zu deinen Zuhörenden zu vernachlässigen. Damit nimmst du dir ein enorm wichtiges Kommunikationsinstrument, mit dem du Menschen begeistern, wachhalten, fesseln kannst, und das dir jederzeit Rückmeldung gibt, was in deinem Publikum los ist. Ja, da können welche mit gerunzelter Stirn sitzen. Und welche, die dich freundlich-ermutigend anlächeln und zu deinen Worten bestätigend nicken. Beide sind wichtig wahrzunehmen.
  • Wenn du dich anstrengst, trotz Ablesens viel Blickkontakt herzustellen, kann es leicht passieren, dass du beim Weiterlesen in der Zeile verrutschst. Erst recht, wenn du aufgeregt bist oder eine Lesebrille brauchst. So ein Blick über die schmale Brille hinweg kann zwar ganz schön sexy sein, das Handling mit Brille auf und ab ist aber auch ziemlich unpraktisch. Alles in allem: lauter prima Gelegenheiten, den Faden zu verlieren. Trotz Manuskript.
  • Wenn dir während des Sprechens etwas einfällt, das deinen Vortrag bereichern würde, und du das spontan einbindest, ist das Weiterlesen noch sehr viel schwieriger, weil du vielleicht in deinem Einschub etwas beschrieben hast, was jetzt in anderer Form in deinem Manuskript nochmal auftaucht. Ein Manuskript macht dich unflexibel.
  • Es gibt sehr wenige Menschen, die wirklich gut vorlesen können. Wer Hörbücher hört, kennt das. Sehr viele Hörbücher sind ein wundervoll geeignetes (und nebenwirkungsarmes) Schlafmittel. Auch die, die von namhaften Schauspielenden vorgelesen werden. Ich liebe z. B. Hannelore Hoger oder die Thalbachs. Aber wenn sie ein Hörbuch lesen, muss ich schon sehr wach und aufrecht sitzend zuhören. Dabei zähle ich diese Frauen noch zu den guten Vorleser*innen.
  • Und der wichtigste Nachteil:

Du schreibst anders als du sprichst!

Es gibt kaum einen Menschen, der in der Lage ist, einen Sachverhalt so aufzuschreiben, wie er*sie ihn sprechen würde. Die Worte sind anders, der Satzbau, die Formulierungen. Wir neigen beim Schreiben zu Verschwurbelungen, Satzmonstern und anderen Lese- und Zuhörunfreundlichkeiten, die wir beim Sprechen so nicht verwenden. Und: wer schreibt schon im Dialekt?

Und hier... *trommelwirbel*... kommt Gitte Härter mit ihrem profunden Schreibkönnen und -wissen ins Spiel. Zum einen, weil sie immer wieder mantraartig betont, wie wichtig es ist, zu lernen, so zu schreiben wie man spricht. Und ihre Workshops sind immer voll. Zum anderen, weil sie mich mit ihrem Schreib-Graffiti zu diesem Beitrag inspiriert hat. Und sogar erlaubt, das Bild aus ihrem Blog zu verwenden! Herzlichen Dank dafür, liebe Frau Härter! (Sehr empfehlenswert auch die Artikel, die unter dem Bild »Bloß nicht verkünsteln« verlinkt sind!)

graffiti1_gittehaerter

 

 

 

 

 

 

 

 

Weil es also den Normalsterblichen unter uns nur unter Mühen gelingt, so zu schreiben wie wir sprechen, ist das Vorlesen absolut keine gute Idee. Und alles wird noch seltsamer, wenn du dein Vortragsskript auswendig lernst! Wer das schonmal ausprobiert hat, weiß, dass man sich dabei leicht wie in der Schule beim Gedichtvortragen fühlen kann. Und wie fühlt sich das an? Alles andere als echt, oder?

Genau! Und eines ist, wie überall beim professionellen und/oder öffentlichen Auftreten, zentral: dass du mit dem, wie und was du tust und sagst, in Einklang bist. Dass du dich wohl fühlst damit, dass sich das Gesagte nach dir anfühlt, aus dir herauskommt sozusagen. Denn nur dann fällt es den Menschen leicht, dir zuzuhören und dich für glaubwürdig und kompetent zu halten. So ticken wir einfach.

Hier also mein Tipp:

Finger weg vom Manuskript, mach dir ein Stichwortkonzept!

So ein Stichwortkonzept hat entscheidende Vorteile:

  • Es gibt dir Sicherheit ohne dich unflexibel zu machen.
  • Es funktioniert auf Karteikarten (ich empfehle DIN A5-6), die beim Hantieren damit weder übers Mikrofon zu hören sind noch deine Aufregung verraten, weil sie mit deinen lampenfiebrigen Händen mitzittern (wenn ein DIN A4-Blatt zittert, ist das immer zu sehen und zu hören!).
  • Du kannst dein Stichwortkonzept aufbauen, wie es dir gefällt. Wenn du ein visueller Typ bist, kannst du dein Konzept grafisch gestalten. Wenn du Tabellen und Listen magst, kannst du’s so aufschreiben. Du kannst wild mit Pfeilen und anderen Symbolen die innere Struktur deines Vortrags abbilden, so dass du immer weißt, wo du gerade bist. Und manches mehr.

Natürlich gibt es ein paar Tricks und Feinheiten, die beim Erstellen und Verwenden solcher Stichwortkonzepte nützlich sind. Diese Feinheiten und ein paar Beispiele gibt’s in Teil 2 dieses Beitrags.

Übrigens, falls du dich wunderst, dass ich die Begriffe Präsentation, Vortrag und Rede gleichbedeutend benutze: ich finde tatsächlich, dass alle drei im Prinzip das Gleiche beinhalten. Nämlich das Darstellen von Inhalten gegenüber einer Gruppe von Menschen. Lediglich die Formen und Anlässe unterscheiden sich etwas.

 

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Ina Machold, Mediatorin (FH), Diplom-Pädagogin und mehr

Ich unterstütze seit 1996 Menschen in ihrer persönlichen, beruflichen und politischen Entfaltung.

Berufliche Orientierung mit Herz und Hirn | Erfolgsteam»plus« | Ziele-Coaching | Kommunikationstraining | Diversity-sensible Wirtschaftsmediation für Unternehmen und Organisationen | Familien- und Nachbarschaftsmediation | Train the Trainer | »Astrologie fürs Leben«

Ehrenamtliche Mitarbeit: Internationale Gesellschaft für Diversity Management | UHD Rosenheim e. V. | Deutsche Stiftung Mediation

 


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